Von Axel Engels
GREVEN. Ein unvergleichlicher Abend im Ballenlager in Greven: Hagen Rether, einer der prägnantesten Köpfe des deutschen Kabaretts, begeisterte zum dritten Mal auf Einladung der Kulturinitiative in Greven das Publikum.
Mit seiner Mischung aus zynischem Witz, tiefgehender Gesellschaftskritik und beißender Ironie zog er jeden in seinen Bann.
Seit nunmehr über 20 Jahren tourt Rether mit seinem Programm „Liebe“ durch die Republik – einem Programm, das kontinuierlich aktualisiert und neu aufbereitet wird, ohne jemals seinen scharfsinnigen Kern zu verlieren.
Der schwarze Boston-Flügel, den Rether als stoischen Begleiter seines Vortrags nutzte, der rot bezogene Bürostuhl und die Bananen – all das schienen zunächst unbedeutende Requisiten zu sein. Doch so harmlos die Kulisse wirkte, so eindringlich und ernsthaft war das, was Rether seinem Publikum zu sagen hatte. Was zunächst wie ein entspannter Plauderton wirkte, entpuppte sich schnell als Plattform für tiefgründige und brisante Botschaften.
Wo Rether früher das politische und gesellschaftliche Geschehen mit beinahe gelassener Nonchalance kommentierte, war nun mehr Wut zu spüren. Seine Kritik an der Welt – der Zerstörung des Planeten, der Rücksichtslosigkeit der Mächtigen und der Ignoranz des Einzelnen – war schärfer und eindringlicher geworden. Das Publikum folgte ihm überaus aufmerksam. Rether zeigte nicht nur die Missstände auf, er hielt jedem Einzelnen den Spiegel vor. Seine zynische Selbstkritik ließ niemanden unberührt. Unter dem Sarkasmus spürte man die tiefe Liebe zu den Menschen und der Welt, die oft mit Füßen getreten wird. Rether hat sich bewusst aus den Medien zurückgezogen, um Platz für neue Stimmen zu schaffen.
In gewohnter Manier verteilte er Spitzen gegen all jene, die Verantwortung tragen – ob in der Politik oder in der Gesellschaft. Besonders die „zynischen Arschgeigen“ Christian Lindner und Wolfgang Kubicki bekamen ihr Fett weg, ebenso wie Friedrich Merz und sogar der Dalai Lama. Er nahm auch den Durchschnittsbürger ins Visier. Selbstgerechtigkeit, Gleichgültigkeit und das Desinteresse an den Folgen des eigenen Handelns – all das sprach er mit beißendem Witz und scharfer Beobachtungsgabe an.
Sein Vortrag war nicht nur eine Abrechnung mit den herrschenden Zuständen, sondern auch eine Aufforderung zur Selbstreflexion. „Wir können die Welt nicht retten? Ja, wer denn sonst?“, fragte er provokativ. Es war ein Aufruf, Verantwortung zu übernehmen, anstatt die Schuld nur „denen da oben“ zuzuschieben.
Erst am Ende des Abends kam der Boston-Flügel, der die gesamte Vorstellung hindurch nur symbolisch präsent war, zum Einsatz. Sanft strichen Rethers Finger über die Tasten, während er seine Worte mit melancholischer Musik untermalte. Es war ein stiller Moment der Erinnerung, trotz all der negativen Nachrichten das Positive nicht aus den Augen zu verlieren.
Nach all den düsteren Szenarien blieb doch ein Funken Hoffnung. Es war nicht das „Wir schaffen das“ einer Angela Merkel, das mit Gleichmut und Pragmatismus verkündet wurde, sondern ein Satz voller innerer Überzeugung und zorniger Entschlossenheit. Ein Aufruf zum Handeln, zur Veränderung.
Die Zuschauer zeigten sich dankbar für über drei Stunden geistige Herausforderung. Hagen Rether hatte es wieder einmal geschafft, nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu berühren und zum Nachdenken anzuregen. Er ist nicht nur ein Kabarettist, er ist ein Mahner und Denker – und das macht ihn in der deutschen Kabarettlandschaft so einzigartig